Im 1. Quartal 2022 erlebten wir innerhalb kürzester Zeit Preisveränderungen, wie wir sie in der Vergangenheit noch nie gesehen hatten.

Vielleicht ist letztere Aussage nicht ganz richtig, denn auch beim Kuwait-Krieg gab es für ein paar Tage heftige Preisbewegungen am Rohölmarkt. Allerdings war dieser Krieg recht schnell beendet und die Märkte kehrten zur Normalität zurück.

Der Krieg von Russland gegen die Ukraine hat für uns Europäer, die bei der Energieversorgung sehr stark von russischer Kohle, Öl und Erdgas abhängen, eine ganz andere Bedeutung und es zeigten sich somit auch ganz andere Auswirkungen an den Energiemärkten als in der Kuwaitkrise vor rund 30 Jahren.

Im Januar 2022 notierte der Rohölpreis bei 81 Dollar, was im Vergleich zu den Jahren 2019 bis 2021 ein recht hohes Niveau war, auch wenn wir in einigen anderen Jahren schon höhere Rohölpreise sahen. Hinzu kam Anfang Januar eine erneute Anhebung der CO2-Abgabe in Deutschland sowie die Verschärfung der CO2-Norm auf europäischer Ebene, sodass die Tankstellenpreise auf Grund dieser Faktoren für Super Benzin E5 und Diesel auf rund 1,75 beziehungsweise 1,70 Euro stiegen. Anfang Februar kletterte der Rohölpreis, weil die Kriegsängste und Spannungen aus Russland und der Ukraine zunahmen, bereits auf annähernd 90 Dollar. Mit Ausbruch des Krieges am 24.02.2022 zog der Rohölpreis zunächst auf knapp 100 Dollar an und, als die USA das Ölembargo für russisches Öl am 10.03.22 aussprachen, stoppten die internationalen Konzerne ihren Einkauf von russischem Öl soweit wie möglich. In der Folge stieg der Rohölpreis für die Brent-Ware auf mehr als 130 Dollar. Der Rohölpreisanstieg vom 01.02. bis 10.03.2022 führte dazu, dass sich der Rohölpreis aus Verbrauchersicht inklusive Mehrwertsteuer um rund 35 Cent verteuerte.

An den Fertigproduktbörsen für Benzin, Diesel oder Heizöl schossen die Produktpreise wesentlich stärker durch die Decke als der reine Rohölpreis. Die Tankstellenpreise verteuerten sich inklusive Mehrwertsteuer um rund 45 Cent bei Superbenzin E5 und beim Diesel /Heizöl sogar um 70 Cent. Eine Abweichung, die es in dieser Höhe zwischen Rohölpreisen und Fertigproduktpreisen noch nie gab. In der Regel folgt der Fertigproduktpreis tendenziell dem Rohölpreis. Wenn es hier zu Spreizungen an den Börsen kommt, sind das ein paar Cent und meist nur für eine kurze Zeit.

Wie konnte es zu dieser immensen Abweichung kommen? An den Warenterminbörsen werden neben Rohöl auch die Fertigprodukte wie Superbenzin bzw. Diesel notiert. Die Preise für diese Produkte stiegen an den internationalen und nationalen Börsenplätzen wesentlich stärker als der Rohölpreis. Das Angebot an Spotmengen (nicht über feste Verträge verkaufte Mengen an Mineralölprodukten) war plötzlich national wie international weit geringer als die Nachfrage. Die Kunden zahlten den wenigen Anbietern jeden Preis, um sich die Ware zu sichern. Spekulanten verstärkten diese Tendenz an den Börsen – wie immer in solchen Situationen. Da der Preis für die Fertigprodukte stärker stieg als der Rohölpreis, stiegen die Raffinerieerlöse mit 164 Euro die Tonne, laut Energieinformationsdienst (EID), auf ein Allzeithoch. Gegenüber dem Februar war das ein Anstieg von 113 Euro die Tonne! Wie der EID weiter berichtete, entstand insbesondere ein Run auf Heizöl und Diesel, so dass deren Preise wesentlich stärker stiegen als der Preis für Benzin. Der Rohölpreis stieg um 20 Prozent, Diesel und Heizöl um 40 Prozent und der Benzinprodukte um 30 Prozent gegenüber dem Vormonatsdurchschnitt.Auch im April 2022 verfestigte sich die Raffineriemarge weit über 100€ die Tonne. Wenn der Wareneinsatz (Rohöl) der Raffineure weniger stark steigt als die Verkaufsprodukte (Heizöl, Diesel, Benzin), dann verbessert dies das Ergebnis der Raffineure.

Durch das Ölembargo befürchteten viele – auch nicht-amerikanische Firmen, die in den USA tätig sind – unter die Sanktionen der US Regierung zu fallen. Folglich wurden die gesamten Produktströme aus Russland so weit wie möglich gekappt und Fertigprodukte aus allen Ecken der Welt für Europa zu deutlich höheren Preisen und Transportkosten zugekauft. Besonders brisant war die Versorgung im Osten Deutschlands bzw. auch in unseren östlichen Nachbarländern, da diese noch stärker von der Versorgung mit russischem Öl über die Pipelines abhängig sind als die Raffinerien im Norden, Westen und Süden der Republik. Niemand konnte einschätzen, ob ein Abschalten der Rohölpipeline der Raffinerien in Schwedt und Leuna deren Versorgungsfunktion im Osten von Deutschland mehr als nur gefährdet.

Dass sich der Dieselpreis auch im Westen Europas (Amsterdam/Rotterdam/Antwerpen/Hamburg) deutlich stärker verteuerte als der Benzinpreis (im Zeitraum Februar bis Ende März), war im Wesentlichen der Tatsache geschuldet, dass Europa und insbesondere Deutschland, neben dem Rohöl für die östlichen Raffinerien, rund ein Drittel seines Dieselbedarfs bis Anfang März aus Russland bezog. Nach dem 10.03.22 wurden diese Zukäufe aus Russland von fast allen westlichen Konzernen für Rohöl und Diesel – soweit kurzfristig möglich – eingestellt. Folglich mussten die Dieselversorgungsströme, neben den wegfallenden Rohölströmen aus Russland, in der Beschaffung umgestellt werden. Dadurch stieg der Dieselpreis in Europa und insbesondere in Deutschland wesentlich rascher als der reine Rohölpreis. Die Börsen reagieren immer auf Nachrichten und versuchen Entwicklungen vorwegzunehmen. Ob dies am Ende stimmt und der Preis sich hält oder als richtig erweist, zeigt die Zukunft und dann kommt es zu Korrekturen – und diese kamen dann auch bis Ende März.

Im Laufe des Monats März wurden diese Versorgungsströme stabiler, sodass sich die Fertigproduktpreise an den Warenbörsen wieder der Rohölpreisentwicklung annäherten. Es gab zu keiner Zeit irgendwelche physischen Engpässe in der Versorgung. Die Ware war da, aber zu einem zu hohen Preis. Während die Rohölpreise zwischen 110 und 120 Dollar pendelten, gingen an den Warenbörsen die Preise für Diesel und Benzin stärker als der Rohölpreis zurück. Mitte April lagen die Rohölpreise inklusive Mehrwertsteuer, das heißt aus Verbrauchersicht, rund 10 bis 15 Cent über dem Niveau von Anfang Februar. Anfang April sank der Preis weiter auf 100 bis 110 Dollar je Barrel. Der Rohölpreis sank, da die Amerikaner ihre strategischen Ölreserven mit einer Million Barrel pro Tag freigaben.

Die Tankstellenpreise sind gegenüber dem Höchststand von Mitte März bis Mitte April um 45 Cent bei Diesel und bei Superbenzin E5 um 35 Cent gefallen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis sich die Produktströme neu orientiert haben. Diese Verwerfungen will das Kartellamt in einer ad hoc-Untersuchung mit Schwerpunkt Raffinerien und Großhandel näher durchleuchten. Ziel ist es, die Gründe der Markt- und Preisentwicklungen auszuleuchten, so das Kartellamt. Was sich bei den Lieferströmen noch ändern würde – und damit bei den Börsenpreisen – wenn das Ölembargo gegen Russland auch von der EU ausgeübt wird, ist aktuell nicht wirklich einzuschätzen. Ob die Preise Richtung 200 Dollar gehen, wie manche Analysten behaupten oder ob vieles schon eingepreist ist, kann niemand voraussehen.