Es ist nicht immer leicht, alle „Ecken“ in Deutschland mit Ware zu versorgen
Im Juni 2023 hat sich die Versorgungssituation in den deutschen Raffinerien wieder entspannt. Grund war, dass in den ersten Monaten diverse Raffinerien in Deutschland wegen Wartungsarbeiten zeitweilig und oft zumindest in Teilen abgeschaltet waren. Solche „Shutdowns“ führen immer wieder zu gewissen Engpässen. Zudem sind Wartungsarbeiten in den Raffinerien recht komplex, sodass sich in der Regel die Inbetriebnahme meist weiter nach hinten verschiebt.
Im Westen ist die Rheinland Raffinerie in Wesseling im Shutdown gewesen. Mit ihren kurzen Versorgungswegen über den Rhein hat sie gegenüber den Raffinerien aus Amsterdam/Rotterdam/Antwerpen (ARA) eine erhebliche Bedeutung für die Versorgung des Raumes zwischen Köln bis Frankfurt/Ludwigshafen. Die MiRO-Raffinerie in Karlsruhe ist die Versorgungsbasis für den Südwesten – Saarland, Pfalz und Baden-Württemberg. Sie war von Anfang Mai bis Mitte Juni wegen eines defekten Reformers in der Benzinproduktion deutlich eingeschränkt. Auch von dort laufen die Produktströme jetzt wieder kontinuierlich. Zudem war im Westen die Raffinerieproduktion in Lingen im Emsland wegen Wartungsarbeiten reduziert worden. Im Juli hatte Lingen hat noch nicht ihr normales Produktionsniveau wie vor dem Shutdown wieder erreicht.
Der Shutdown der Bayernoil Raffinerie ist ebenfalls beendet, sodass sich die dortige Lage auch wieder entspannt, was die Versorgung mit Benzinprodukten angeht. Allerdings kam es im Juli zu einem Brand in der Raffinerie in Neustadt, sodass die Versorgung wieder eingeschränkt wurde.
Im Osten wird die Versorgung der Raffinerie in Schwedt stabiler. Die Auslastung der PCK Schwedt Raffinerie war von Januar bis April auf ein Durchsatzniveau von nur 58 Prozent abgesunken. Der Importstopp des russischen Rohöls war so schnell nicht zu kompensieren. Im Mai 2023 lag die Auslastung wieder bei 75 bis 80 Prozent, was in Anbetracht der schwierigen Versorgungslage ein sehr guter Wert ist. Kasachstan hat – nach Angaben des staatlichen Pipeline-Betreibers Kaztransuil – 290.000 Tonnen Rohöl per Pipeline über Russland nach Deutschland geliefert. Gemäß einem Bericht des O.M.R. Argus würde dies zu einer Verbesserung der Auslastung der Raffinerie in Höhe von 5 Prozent beitragen. 55 Prozent der Mengen, die die PCK Raffinerie benötigt, werden über den Seehafen Rostock und dann über die Pipeline Rostock-Schwedt in die Raffinerie eingespeist. Zudem hat Shell über Danzig und ebenfalls per Pipeline Ware nach PCK geliefert. Die italienische Eni verhandelt derzeit über einen Vertrag, der die Lieferung von Rohöl über den polnischen Seehafen Danzig nach PCK vorsieht. Durch diese diversen Maßnahmen hat sich die Versorgungssituation der PCK Raffinerie in Schwedt in 2023 wieder deutlich verbessert. Die zweite Raffinerie im Osten in Leuna fährt aktuell ebenfalls mit einer Auslastung von 75 Prozent.
Durch die bessere Auslastung der Raffinerien im Osten hat sich die Versorgungslage dort entspannt, was wiederum auch dazu führt, dass weniger Ware aus den Raffinerien im Norden (Hamburg) beziehungsweise aus dem Süden (Ingolstadt, Vohburg) per Kesselwagen oder Tankwagen in die östlichen Bundesländer gefahren werden musste. Somit führt die Entspannung der Versorgung im Osten auch zu einer weniger angespannten Versorgungssituation im Rest der Republik.
Was die Versorgung derzeit etwas einschränkt und in den kommenden Monaten weiter einschränken könnte, ist der fallende Wasserstand am Rhein. Der kritische Engpass am Rhein ist in Höhe Kaub. Bei absolutem Niedrigwasser führt der Pegel in Kaub zu einer Zweitteilung des Rheins. Alle Schiffe, die südlich von Kaub unterwegs sind, pendeln dann nur zwischen Basel und Bingen und dem Main. Die Schiffe, die nördlich unterwegs sind, fahren nur zwischen Koblenz, ARA und der Mosel. Nach dem Niedrigwasser 2018 wurde das Tanklager in Raunheim um weitere Lagertanks erweitert und dort zusätzliche Erdölbevorratungsmengen eingelagert, die helfen könnten eine solche Krise wie 2018 zu entschärfen. Eine Rheinvertiefung in Kaub, wie sie von vielen Firmen und insbesondere BASF gefordert wird, wohl noch lange Zeit auf sich warten lassen.
Zudem wird weiterhin versucht, für das Importverbot von russischem Diesel die fehlenden Dieselimporte aus Nahost zu beschaffen. In den Sommermonaten steigt der Eigenbedarf für Diesel in Nahost, da der Betrieb der dortigen Klimaanlagen sprunghaft in die Höhe geht. Andererseits war vor Kurzem auch berichtet worden, dass die Länder im Nahen Osten russischen Diesel für ihren eigenen Bedarf importieren und ihren Diesel dadurch besser exportieren können. Die Dieselnachfrage in Deutschland ist im Juni erneut gesunken, da die geringere Fahrleistung von Lastkraftwagen und eine schwächere Auftragslage im Baugewerbe den Verbrauch deutlich verringerte. Die Fahrleistung der Lastkraftwagen lag im Durchschnitt von Januar bis Mai 2023 etwa 3,25 Prozent unter den durchschnittlichen Monatswerten im selben Zeitraum 2022. Zudem ist der Auftragsbestand im verarbeitenden Gewerbe im April gegenüber März saison- und kalenderbedingt um 0,8 Prozent gesunken. Diese Konjunkturschwäche ist jedoch nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten Eurozone zu beobachten. Die zurückgehende Wirtschaftsleistung drückt sich auch in einem niedrigeren Dieselverbrauch aus und hilft die Versorgungslage zu entspannen.