Tausende Schnellladesäulen sind in Deutschland bisher illegal in Betrieb – sie verstoßen gegen das Eichrecht.

Politik und Behörden dulden es, um den Ausbau der Elektromobilität nicht zu gefährden. Nach Recherchen des Handelsblattes sind tausende öffentliche Schnellladesäulen (DC), die dem Kunden teils bis 80 Cent pro Kilowattstunde in Rechnung stellen, illegal in Betrieb. Das geht unter anderem aus Erhebungen der Fachgruppe Recht des Förderprojektes IKT für Elektromobilität für das Bundeswirtschaftsministerium und Herstellerangaben hervor. Eigentlich müssen alle öffentlichen Ladesäulen, die nach Kilowatt pro Stunde abrechnen, das Eichrecht einhalten. Dieses soll sicherstellen, dass die Messung der gelieferten Menge korrekt verläuft. Das ist besonders beim Schnellladen wichtig, bei dem der Stromverlust im Ladekabel aufgrund der hohen Stromstärken besonders hoch ist. Der Kunde soll nur die Energie bezahlen, die in sein Fahrzeug fließt, analog zur Flüssigkeitsmenge an der Zapfsäule einer Tankstelle. Gleichzeitig ist der Betreiber im Falle von Reklamationen geschützt. Da der Kunde keine physikalischen Größen nachprüfen kann, muss er sich auf Zähler verlassen können, die von Konformitätsbewertungsstellen wie der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) als eichrechtskonform eingestuft worden sind. Wenn etwa der Zähler einer Ladesäule diese Anforderung erfüllt, dann hält er eine Fehlergrenze von einem Prozent ein.

Erst vier Hersteller haben solche Schnellladesäulen im Angebot. Die anderen Ladesäulenhersteller haben zum Teil noch keine Zulassung oder müssen noch ihre bereits in Betrieb befindlichen Ladesäulen entsprechend nachrüsten. Derzeit kontrollieren die Eichbehörden den Markt nicht so akribisch, wie es eigentlich ihre Aufgabe wäre. Noch werden keine Bußgelder verhängt, die bei gesetzeswidrigen Ladesäulen bis zu 50.000 Euro betragen können. „Mit dem bayrischen Wirtschaftsministerium wurde abgestimmt, die Elektromobilität und den Ladesäulenaufbau nicht zu behindern“, so Thomas Schade vom bayrischen Landesamt für Maß und Gewicht. Laut Handelsblatt dulden die Hüter des Eichrechts in allen Bundesländern den gesetzeswidrigen Zustand. Offiziell gibt es dazu keinen Beschluss, der dies erlauben würde.

Ist eine Ladesäule nicht eichrechtskonform, so wäre ihre sofortige Stilllegung das härteste Mittel, schreibt das Bundeswirtschaftsministerium. „Würden wir das durchsetzen, würde die Ladeinfrastruktur in Deutschland zusammenbrechen“, so Thomas Schade vom Bayrischen Landesamt für Maß und Gewicht. Er schätzt, dass ein Drittel der Ladesäulen in Bayern noch nicht auf dem Stand ist, auf dem es sein sollte. Theoretisch müssten die Betreiber solcher Stromsäulen den Strom entweder verschenken, oder mit einem 20-prozentigem Preisnachlass abrechnen, bis sie den eichrechtskonformen Zustand herbeigeführt haben, so das Handelsblatt. Die Verbraucherzentrale fordert, dass ein solcher Nachlass von 20 Prozent eingeführt wird, bis die Umrüstung komplett vollzogen ist.

Die Duldung eines gesetzeswidrigen Zustands in solch großem Umfang ist vermutlich ein Vorgang, den es in der deutschen Verwaltung so noch nicht gegeben hat, sagt die Berliner Juristin Katharina Boesche. Diese Duldung ist vor allem dem politischen Willen geschuldet, Schnellladeinfrastruktur aufzubauen und die Fördermittel auszugeben, so der weitere Kommentar. Allerdings fehlten in Deutschland auch über Jahre die entsprechenden Messgeräte, um Ladesäulen eichrechtlich sauber einzustellen. Wenn man bei der Entwicklung von Normallladesäulen auf bereits eichrechtskonforme Messtechnik zurückgreifen konnte, musste diese für Schnellladesäulen erst neu entwickelt werden. Selbst die Behörden haben immer noch Schwierigkeiten, überhaupt die Messung bei Schnellladesäulen zu prüfen. Eine nicht eichrechtskonforme Ladesäule umzurüsten, kann teilweise aufwändiger sein, als eine neue Ladesäule aufzubauen. Je nach Komplexität und Hersteller entstehen Kosten von bis zu 6.000 Euro pro DC Gerät. Teilweise müssen Ladesäulen komplett ausgewechselt werden. Das Energieunternehmen ENBW hat etwa 1,5 Millionen Euro für den Tausch von 130 voll funktionsfähigen Normalladesäulen ausgegeben, für die eine eichrechtskonforme Umrüstung technisch nicht möglich oder unwirtschaftlich gewesen wäre.