Wetten auf Ölpreise
Die Opec sieht den Ölpreis in den nächsten zehn Jahren zwischen 40 und 75 $
Immer wieder wird an den Börsen oder in Presseberichten über den Ölpreis diskutiert und spekuliert.
Laut Berichten der Internationalen Energieagentur (IEA) wird 2015 ein weltweiter Ölverbrauch von 93,3 Mio. Barrel pro Tag erwartet. Die globale Ölförderung 2015 beträgt 95,24 Mio. Barrel, sodass deutlich mehr produziert wird als der Markt braucht. Für 2016 wird ein Ölverbrauch von 94,64 Mio. Barrel pro Tag prognostiziert, während die Förderung 2016 auf 95,48 Mio. Barrel pro Tag ansteigen wird. Das heißt, auch in 2016 wird mehr produziert als der Markt braucht. Diese Überproduktion drückt auf die Preise.
Doch wohin mit dem vielen überflüssigen Öl? In China gehen gut 10 Prozent des importierten Rohöls sofort in die Tankläger als nationale Sicherheitsreserve. Immer mehr Tanker werden angemietet, um Öl zu lagern. Die Frachtraten liegen sechsmal so hoch wie im Frühjahr 2014. Mehr als 80.000 US-Dollar pro Tag kostete es im Mai 2015, einen Supertanker zu chartern. Dies ist doppelt so teuer wie die Durchschnittsfrachtrate der zurückliegenden sechs Jahre. Viele Handelshäuser nutzen die Tanker als schwimmende Reservelager. Einige dieser Tankermengen suchen laut Morgan Stanley noch einen Käufer.
An den Ölbörsen fallen laut Energieinformationsdienst (EID) große Käufe von Put Optionen auf, die sich auszahlen, wenn der Rohölpreis bei 53 US-Dollar pro Barrel angekommen ist. Laut EID veranlasst die Ölschwemme in der Nordsee Tanker dazu, ihre Routen über Europa hinaus nach Asien auszudehnen.
Dass die Spekulation um Öl keine Grenzen kennt, macht folgende Zahl deutlich: So ist der tägliche Durchschnitt von Rohöl Futures Kontrakten, gehandelt an der Londoner und New Yorker Börse, von 350.000 Kontrakten im Jahr 2005 auf inzwischen 1,5 Mio. gestiegen. An den Börsen wird das Sechzehnfache des täglichen globalen Ölverbrauchs gehandelt. Hedgefonds, Banken, Oiltrader, aber auch Ölgesellschaften gehen Wetten auf den Ölpreis an diesen Börsen ein. Es bleibt deshalb spannend, wie es mit dem Ölpreis weitergeht. Die Investmentbank Goldmann Sachs sieht keine Anzeichen, dass die OPEC die Überversorgung durch Produktionskürzung vermindern wird. In den Szenarien der Überversorgung durch die OPEC ist eine mögliche Rückkehr Irans an den Ölmarkt noch nicht berücksichtigt. Mit den vom Westen verhängten Sanktionen kann der Iran aktuell etwa nur 1 Mio. Barrel pro Tag an Rohöl ausführen. Dem Iran ist es Anfang Juli gelungen, mit der 5+1 Gruppe (USA, China, Frankreich, Russland, Großbritannien und Deutschland) ein langfristiges Atomabkommen auszuhandeln. Im Gegenzug kann der Iran seine Exporte und insbesondere die Ölproduktion mittelfristig anheben. Libyen will seine Produktionsmenge von 400.000 Barrel pro Tag bis Juli 2015 auf 800.000 Barrel pro Tag verdoppeln. Angesichts dieser Situation scheinen Erwartungen, dass sich die Überversorgung bis 2016 auflöst, zum jetzigen Zeitpunkt für ungerechtfertigt, so ein Fazit der Commerzbank.
Immer mehr Analysten kommen zu dem Ergebnis, dass die USA durch beträchtliche Kostensenkung bei der Shale-Oil-Förderung auch mit einem Barrel-Preis von 50 US-Dollar zurechtkäme. Das heißt, wenn der Rohölpreis steigt, könnten viele der zurzeit abgeschalteten Shale-Oil-Förderungen wieder in Betrieb gehen. Auch diese Tatsache drückt auf einen Anstieg des Ölpreises. Zurzeit geht die Internationale Energieagentur davon aus, dass in 2015 das Produktionsniveau in den USA, das im Mai 2015 9,7 Mio. Barrel pro Tag betrug, bis Dezember auf 9,3 Mio. Barrel pro Tag zurückgeht. Ob dieser Rückgang eintritt, wird aber von einigen Analysten bezweifelt. Denn das Produktionsniveau der USA ist in 2015 zwar gesunken, allerdings in weit geringerem Maße, als dies Anfang des Jahres noch prognostiziert wurde. Im Mai/ Juni 2015 pendelte sich der Rohölpreis für die Brentware in Europa bei 60-65 US-Dollar ein. Die Internationale Energieagentur rechnet bis zum Jahresende 2015 mit einem solchen Preisniveau. Da Rohöl in US-Dollar gehandelt wird und wir in Europa in Euro bezahlen, gilt es, die zweitwichtigste Komponente, nämlich den Wechselkurs zwischen Euro und Dollar, im Auge zu behalten.
Auch die OPEC hatte im Mai 2015 in ihrem Strategiebericht ihre langfristige Markteinschätzung offengelegt. Dieser Bericht zeigte, dass die OPEC in der Preisentwicklung in den nächsten 10 Jahren im optimistischsten Szenario einen Ölpreis von maximal 76 US-Dollar sieht. Die magische 100-Dollar-Grenze, die in der Vergangenheit von der OPEC noch häufig als ein fairer Preis bezeichnet wurde, ist damit für die OPEC langfristig vom Tisch. Sie geht in ihrem Strategiepapier davon aus, dass die USA künftig in der Lage sein werden, ihr Öl zu deutlich niedrigeren Rohölpreisen herzustellen. Von daher schätzt die OPEC den Wettbewerb deutlich aggressiver ein und geht im pessimistischsten Szenario von einem Ölpreis aus, der unter 40 Dollar liegen könnte.
Die Einschätzung der OPEC zeigt noch einmal, wie groß der Korridor ist, in dem sich der Rohölpreis bewegen kann. Die Kosten der Rohölherstellung sind in den einzelnen Ländern zu unterschiedlich, um einen nur kostenorientiert getriebenen Rohölpreis zu fixieren.
Es gilt auch, die Nachfrageseite zu betrachten: Chinas Wachstum verlangsamte sich in 2014 und damit auch das Wachstum des Energieverbrauchs in China. Auch in 2015 ist die Wirtschaft und damit der Energiewachstum in China etwas eingebremst. Die Nachrichtenagentur Bloomberg verwies auf die Aussage des früheren Rohölanalyseleiters der OPEC. Dieser erklärte, dass er damit rechnet, dass die Förderung aus dem Irak und Iran in diesem Jahr ansteigen wird und sich die Schieferölproduktion in den USA auf einem hohen Niveau stabilisiert. Zudem glaubt er, dass sich die Nachfrage weltweit, getrieben durch China, abschwächt. Aus diesem Grund sieht Hasan Qabazard, ehemaliger Analysechef (von 2006-2013) bei der OPEC, im 4. Quartal 2015 den Rohölpreis pro Barrel bei 40-50 Dollar.
Die Börsen werden auch weiterhin den Ölpreis bestimmen und hier spielen die zukünftigen Einschätzungen bezüglich Angebot und Nachfrage eine große Rolle. Wie es später im physischen Markt wirklich kommt, ist für die Bildung des Ölpreises gar nicht so wichtig.