Klimazertifikate und Biospritbranche kommen unter Preisdruck

In Europa können Mineralölunternehmen Zertifikate aus China oder anderen Ländern der Welt kaufen, um damit ihre Pflicht zur Reduktion von Treibhausgasemissionen zu erfüllen. Die deutsche Biospritbranche hegt allerdings massive Zweifel an der Belastbarkeit solcher chinesischen Zertifikate.

Das Vorgehen heißt: Upstream Emission Reduction (UER). Wenn Unternehmen CO2-Emissionen reduzieren, die bei der Förderung von Öl oder Gas anfallen, so können sie sich diese Reduktion zertifizieren lassen. Upstream Emissionen sind vorgelagerte Emissionen, die entstehen, bevor beispielsweise Rohöl in eine Raffinerie gelangt. Eine Emissionsminderung ist etwa dann gegeben, wenn das Abfackeln von Begleitgasen bei der Erdölförderung vermieden wird. Solche internationalen UER-Zertifikate können auch in Deutschland eingesetzt werden, um die gesetzliche Treibhausminderungsquote (THG-Quote) zu erfüllen.

In Europa ist die Mineralölwirtschaft gesetzlich verpflichtet, definierte Treibhausgasminderungsquoten, die bis 2030 weiter verschärft werden, zu erfüllen. Bis zu einer bestimmten Obergrenze werden UER-Zertifikate auf die THG-Quote angerechnet. Im entsprechenden Umfang wird hierdurch die Beimischung von Biosprit zur Erfüllung der THG-Quote überflüssig. Je mehr und je günstiger diese Zertifikate angeboten werden, umso weniger Biodiesel muss dem normalen Diesel zur Erreichung der THG-Quoten beigemischt werden.

Die Idee hinter den UER-Zertifikaten ist, dass es dem Klima egal ist, wo die THG-Minderungen stattfinden. Reduktionsmaßnahmen in anderen Ländern wie China können auf die deutsche THG-Quote angerechnet werden. Soweit die Theorie.

Doch stellt sich die Frage, inwieweit solche UER-Projekte aus fernen Ländern für uns in Europa überprüfbar sind. Wie ein Insider dem Handelsblatt berichtete, gäbe es Satellitenfotos von angeblichen UER-Projekten, die allerdings nichts anderes zeigen würden als Wüstensand. „Das sind reine Luftbuchungen“ kritisiert ein Insider. Das treffe auf 13 Projekte allein in China zu. Zudem gäbe es Hinweise darauf, dass einzelne Projekte doppelt angerechnet würden.

Hinzu kommt das steigende Angebot von Biosprit aus China. Im Juni hatte das Handelsblatt bereits darüber berichtet, dass chinesische Hersteller den europäischen Markt mit angeblich „fortschrittlichem“ Biosprit überschwemmen. Biosprit gilt als fortschrittlich, wenn er beispielsweise nicht aus Raps hergestellt wird, sondern aus Abfall und Reststoffen, etwa Altfetten. Innerhalb der Treibhausgasminderungsquoten gibt es Mindestquoten für die bestimmten Biokraftstoffvarianten. Für den Sprit aus Reststoffen gilt seit Oktober 2021: Wenn die Mindestquote überschritten wird, zählt der übererfüllte Anteil doppelt. Das macht die Überfüllung besonders interessant. Vereinfacht ausgedrückt: Mit einer Mengeneinheit Biosprit aus Abfall lassen sich zwei Mengeneinheiten herkömmlicher Biokraftstoffvarianten ersetzen. Aufgrund der Doppelanrechnung ist ein Sog für fortschrittliche Biokraftstoffe nach Deutschland entstanden und dies führte zu einem verstärkten Import aus China.

In der Biospritbranche fragt man sich, ob es glaubhaft ist, dass in China innerhalb kürzester Zeit Biodieselproduktionsanlagen aufgebaut wurden, aus denen sich Importe großer Mengen speisen – zumal die Produktion technisch aufwendig ist und die Anlagen teuer sind. Zudem wäre es zweifelhaft, ob es entsprechende Aufkommen an Altfetten in China überhaupt gibt, so die Branche. Es wird deshalb vermutet, dass frisches Pflanzenöl als „fortschrittlicher“ Rohstoff gekennzeichnet wird, um daraus mehrmals anrechnungsfähigen Biodiesel zu produzieren. Die Verbände fordern daher verschärfte Regeln und strengere Kontrollen mit wirksamen Strafen, um solchen Missbrauch zu verhindern.

Wie dies allerdings auf internationaler Ebene gelingen soll, wird nicht gesagt. Zuständig für die Überprüfung dieser Projekte ist die Deutsche Emissionshandelsstelle, die unmittelbar dem Umweltbundesamt und damit einer Behörde im Zuständigkeitsbereich des Bundesumweltministeriums unterstellt ist. Eine brancheninterne Auswertung der 57 UER-Projekte zeigte eine THG-Minderung aller Projekte von mehr als 8,7 Millionen Tonnen CO2. Von diesen 57 Projekten befinden sich 49 in China.