Bauen wir zu viele Windparks?
Mehrere Unternehmen distanzieren sich von den politischen Plänen, in der Nord- und Ostsee weitere Offshore-Windparks mit einer Gesamtleistung von 70 Gigawatt zu errichten. Aus Sicht der Industrie wären 55 Gigawatt ausreichend. Laut Berechnungen des dänischen Energiekonzerns Ørsted könnten dadurch rund 31,1 Milliarden Euro an Kosten eingespart werden.
Kritik äußert Ørsted auch an der Flächenplanung des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH): Die vorgesehenen Flächen lägen zu dicht beieinander, was sogenannte Kannibalisierungseffekte zur Folge habe. Wenn zahlreiche Windparks in engem Abstand zueinander errichtet werden, nehmen sie sich gegenseitig den Wind – ein Phänomen, das Fachleute als Abschattungseffekt bezeichnen.
Unter optimalen Bedingungen erreichen Windräder auf hoher See bis zu 4.000 Volllaststunden pro Jahr (bei insgesamt 8.760 Stunden). Liegen die Parks jedoch zu nah beieinander, kann dieser Wert deutlich sinken. Geringere Abschattungseffekte hingegen ermöglichen höhere Erträge und damit eine effizientere Stromerzeugung pro Anlage.
Zudem empfiehlt Ørsted, auf die Erschließung des nordwestlichsten Gebiets der deutschen Nordsee zu verzichten. Diese Fläche liegt zu weit von der Küste entfernt, was die logistische Umsetzung – etwa für Installation, Wartung und Stromtransport – erheblich erschwert. Besonders die Notwendigkeit extrem langer Kabelverbindungen wird als kosten- und aufwandsintensiv kritisiert.
Auch der RWE-Vorstandsvorsitzende Markus Krebber sprach sich bei der Präsentation der Jahreszahlen dafür aus, das Ausbauziel auf See auf lediglich 50 Gigawatt zu reduzieren. Nach derzeitigem Planungsstand sollen bis 2030 Offshore-Windkraftanlagen mit einer Leistung von 30 Gigawatt am Netz sein. Bis 2035 ist ein Ausbau auf mindestens 40 Gigawatt vorgesehen und bis 2045 sogar auf 70 Gigawatt. Derzeit sind laut Bundesverband WindEnergie Offshore rund 9,2 Gigawatt installiert.
Auch die Europäische Union verfolgt ambitionierte Ziele beim Ausbau der Offshore-Windenergie. Bis 2030 sollen EU-weit Anlagen mit einer Gesamtleistung von 60 Gigawatt errichtet werden. Bis 2050 ist ein Ausbau auf 340 Gigawatt geplant. Derzeit befinden sich in der gesamten EU jedoch erst rund 32 Gigawatt in Betrieb.