Wer soll das bezahlen?

In Deutschland haben wir die Zielsetzung klimaneutral zu werden und dies ausschließlich mit Wind, Sonne und grünem Wasserstoff. Alle anderen Möglichkeiten, ob zum Beispiel E-Fuels, synthetische Gase, CCS oder Atomstrom werden ausgeblendet.

Die Hoffnung, allein durch den Ausbau von erneuerbaren Energien für das nötige Angebot an Strom sorgen zu können, teilt außerhalb Deutschlands kein weiteres Land, wie die Welt am Sonntag berichtete. So schätzte die Finanznachrichtenagentur Bloomberg NEF etwa den Geldbedarf der deutschen Energiewende bis 2030 bereits auf eine Billion Euro. Dass staatliche und private Mittel in dieser Größenordnung aufgebracht werden könnten, stellten die Analysten offen in Frage.

Andere Länder gehen andere Wege. Frankreich setzt zu 80 Prozent auf CO2-freien Atomstrom und heizt heute schon 50 Prozent aller Wohnungen mit Strom, um nur beispielhaft einen anderen CO2-ärmeren Weg aufzuzeigen. Norwegen verpresst CO2 unter der Erde und setzt auch in den nächsten 20 Jahren weiter auf sein Erdgas und Rohöl. Die USA haben durch bessere Abschreibungsmöglichkeiten die Rahmenbedingungen gesetzt und lassen die Firmen entscheiden, welche Wege sie einschlagen, um klimafreundlicher zu arbeiten. Wir in Deutschland wollen um jeden Preis einen anderen Weg gehen. Es müsste uns nachdenklich machen, dass uns keiner folgt.

Für ein Kilowatt Strom, den wir aus Solarzellen produzieren, entstehen laut Fraunhofer Institut Kosten zwischen 3,12 und 11,01 Cent. Bei Braunkohlekraftwerken liegen die Kosten zwischen 10 und 15 Cent und bei Gaskraftwerken zwischen 11 und 28 Cent und das sind die Kosten für die reine Stromproduktion. Allerdings braucht jede PV-Anlage einen Stromnetzanschluss. Das Netz muss also erweitert und verstärkt werden und das ist teuer. Eine McKinsey-Studie geht davon aus, dass mit den Energiewendeplänen der Bundesregierung bis 2035 Investitionen von 700 bis 850 Milliarden Euro nötig sind, darunter allein 370 bis 410 Milliarden Euro, um die Stromnetze entsprechend zu ertüchtigen.

Hierdurch werden die Netzentgelte von 9 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2022 auf 21 bis 23 Cent im Jahr 2035 steigen. Insgesamt könnte Strom dann 48 Cent pro Kilowattstunde kosten, 8 Cent mehr als noch 2022 und teurer als in den anderen Ländern der EU. Insbesondere in Asien und Amerika bleiben die Energiekosten – nicht nur für Strom – deutlich tiefer als in Deutschland. Mit ein Grund, warum bei den hohen Energiepreisen immer mehr Industrieunternehmen Deutschland verlassen müssen.

Eine etwas verrückt klingende, aber am Ende logische Aussage zeigt die Problematik des Solarstroms auf. Wenn man den Zubau von erneuerbaren Energien, insbesondere von Photovoltaik stark begrenzen würde, dann würden auch die Netzkosten und somit die Strompreise nicht so stark steigen, argumentieren die Berater von McKinsey. Sie sehen ein Sparpotenzial von 70 Milliarden Euro, wenn weniger Solaranlagen gebaut werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Bruttostromverbrauch von 500 Terrawattstunden (TWh) im Jahr 2022 auf bis zu 750 Terrawattstunden im Jahr 2030 ansteigt, folglich ein Plus von 50 Prozent binnen weniger Jahre. Das heißt, nicht nur die Stromerzeugung, sondern auch die Stromnetze müssen kräftig ausgebaut werden. Denn ohne neue Netze werden wir als Folge an sonnigen Tagen viel zu viel Strom in Deutschland produzieren und wenn die Dunkelflaute herrscht, benötigen wir Reservekapazitäten.

McKinsey schlägt vor, dass, wenn in den kommenden Jahren die Kohlekraftwerke vom Netz gehen sollen, statt der von der Bundesregierung geplanten 10 Gigawatt Gaskraftwerke, mindestens 50 Gigawatt (der Bundesrechnungshof geht von 25 Gigawatt aus) an Reservekapazität aufgebaut werden müssen. Diese Gaskraftwerke könnten zu einem späteren Zeitpunkt mit Wasserstoff betrieben werden. Der Vorteil der Gaskraftwerke wäre – wenn sie in der Nähe von großen Verbrauchern stehen, wo der Strom auch benötigt wird und wenn in den Dunkelflauten kein Wind weht oder die Sonne nicht scheint – dass diese eine verlässliche Stromlieferung mit kurzen Wegen ohne neue Netzbaukosten haben.

Die Komplexität des Stromsystems wird durch die Einspeisung von erneuerbaren Energien deutlich höher. Es bedarf mehrerer Anschlüsse, Leitungen, Flächen und Kapital zum Bau. Mit Solar- und Windstrom kann Ökostrom zu vier Cent pro Kilowattstunde an Produktionskosten erzeugt werden, so der Eon-Vorstand Bierbaum in NTV. Erneuerbare machen die Stromerzeugung, die reinen Gestehungskosten erstmal günstiger. Gleichzeitig steigen die Kosten für Integration, Infrastruktur und somit die Netzkosten. Dadurch werden die Strompreise nicht fallen, sondern steigen. Einfach gesagt: Das System wird mit vielen kleinen Einspeisern (Wind und Solar) deutlich komplexer, um den Strom just in time von der Produktion (oft an falschen Standorten) zum Verbraucher (Industrie) zu bringen und damit auch deutlich teurer. Wenn wir zu viel erneuerbare Energie produzieren, regeln wir sie ab, da die Stromübertragungsnetze am Limit sind. Ist es zu wenig, werden die Gaskraftwerke angeworfen oder Strom kommt aus dem Ausland nach Deutschland. Beides kostet erst einmal Geld.

Der Eon-Chef zeigte im Interview auf, dass wir schneller neue Netze bauen müssen. Wenn in Deutschland ein Windpark gebaut wird, sind die Kosten für Infrastruktur und Systemintegration dem Windparkinvestor egal, denn diese werden über die Netzentgelte sozialisiert. Die Windparkinvestoren bauen einfach dort, wo sie die meisten Kilowattstunden erzeugen können. Dann gehen sie zum Netzbetreiber und sagen: „Ich brauche einen Netzanschluss.“ Dafür bezahlt der Investor einmalig einen Betrag, die Verteilung des Stroms im Netz dahinter muss aber der Netzbetreiber lösen. Eine Firma wie Eon ist verpflichtet, den Windpark anzuschließen. Das heißt, der Investor kann den Windpark an der völlig falschen Stelle bauen. Und selbst wenn Eon ihn anschließend ständig abriegeln muss, weil das System überlastet ist, kann das dem Investor egal sein, denn der Netzbetreiber muss die Kosten kompensieren.

Ein Windrad, das am Berliner Stadtrand steht, müsste wahrscheinlich nie abgeregelt werden, weil sich die Nachfrage sehr nah an der Produktion befindet. Stattdessen steht das benötigte Windrad an der Ostseeküste und der Strom muss erst nach Berlin geleitet werden. Das funktioniert für das erste Windrad, für das zweite und vielleicht noch für das dritte. Aber irgendwann sind die Leitungen voll. Werden dann immer neue Windparks gebaut, produziert man einfach Überlast auf den Leitungen. Das hat zur Folge: Die Netze sind am Limit und es müssen zusätzliche Leitungen gebaut werden. Von der Baugenehmigung bis zum Bau der Leitungen vergehen schnell zehn Jahre. Laut dem Eon-Chef ist es fast egal, ob wir für 2030 die Ausbauziele bei Solar und Wind erreichen, wenn wir nicht vorher die entsprechenden Netze fertig haben.

Es gibt Märkte, wie in Texas, wo der Windradinvestor das Risiko für das Netz mitträgt. Wenn dort das Windrad an der falschen Stelle steht und das Windrad vom Netzbetreiber aus dem Netz geschmissen wird, weil es einen Stau verursacht, ist das sein Problem. Es gibt kein Geld. Der Investor muss deshalb genau überlegen, wo er den Windpark baut oder ob er diesen um einen Speicher ergänzt, mit dem er den Strom einspeisen kann, sobald der Stau vorbei und die Leitungen wieder frei sind.

Für uns in Deutschland wäre es sinnvoller, wenn wir es so machen würden, wie es in Belgien zu beobachten ist: die Windräder deutlich näher an die Städte und Großverbraucher bringen, damit der Verbrauch auch vor Ort stattfindet und keine komplexen neuen Stromleitungen gebaut werden müssen. Aber wir bauen die Windräder an der Küste oder in Landstrichen, wo sie keinen Bürger stören, auch wenn dort der Strom in diesem Umfang gar nicht gebraucht wird.

Mit dem reinen Bau von Wind- und Solarzellen lösen wir das Versorgungsproblem mit Strom also nicht, denn der Strom muss dorthin, wo er verbraucht wird und diese Anbindungen verursachen enorme Kosten, sodass wir von dem vermeintlich billigen Solar- und Windstrom in den nächsten 20 Jahren nicht viel sehen werden.

Gleichzeitig soll in Deutschland ein grünes Wasserstoffkernnetz mit 9.700 Kilometern Länge bis 2032 fertiggestellt werden. Ziel ist es, große Abnahmezentren in den Industrieregionen im Süden und Westen Deutschlands mit Einspeisepunkten für den Wasserstoff an der Küste sowie künftige Wasserstoffspeicher als Puffer und mit grünem Wasserstoff betriebene Kraftwerke miteinander zu verbinden. Außerdem umfasst das Kernnetz Übergabepunkte an den Grenzen, welche den grenzüberschreitenden Wasserstoffaustausch und den Import von grünem Wasserstoff aus anderen Weltregionen ermöglichen sollen. Ein großer Teil des Netzes wird aus Umwidmung der Erdgasleitungen bestehen, so die politische Ansage. Der Aufbau des Wasserstoffnetzes soll 20 Milliarden Euro an Investitionen erfordern. Zurzeit sind wegen der hohen wirtschaftlichen Risiken keine Investoren für ein Wasserstoffnetz zu finden, wie das Handelsblatt berichtete.

Parallel dazu plant das Wirtschaftsministerium den Rückbau von 80 bis 90 Prozent der Gasverteilernetze ab 2035. Deutschland verfügt über 600.000 Kilometer Gasverteilnetze, die nach Schätzungen der Gaswirtschaft einen Wert von 270 Milliarden Euro darstellen. Diesen Wert schaffen wir – gemäß Plänen des Wirtschaftsministeriums – zwischen 2035 bis 2045 zu 80 bis 90 Prozent ab. Die Leitungen müssen ausgebaut werden, da man Gasleitungen nicht ungenutzt im Boden lassen kann. Die Transportleistung des deutschen Gasnetzes übertrifft den des deutschen Stromnetzes erheblich und gilt in der Wirtschaft für viele als extrem wichtig, was die Energiesicherheit und Bezahlbarkeit angeht. Ebenso zählt dazu der Wert der Energiespeicher für Gas, die uns zudem Energiesicherheit gewährleisten.

Die Stadtwerke Augsburg haben ihren Bürgern bereits mitgeteilt, dass in verschiedenen Stadtteilen voraussichtlich in zehn Jahren das Gasleitungsnetz stillgelegt wird, da Bayern bis 2040 klimaneutral sein will. Hierbei handelt es sich um Stadtviertel, in denen Häuser stehen, die zukünftig einen Fernwärmeanschluss bekommen sollen. Doch auch diese neuen Fernwärmeleitungen müssen in den nächsten zehn Jahren erst einmal gebaut werden.

Das verbleibende Gasnetz soll später für den Transport von grünem Wasserstoff genutzt werden. Allerdings ist es nicht ganz so einfach für Wasserstoff zu nutzen. Wasserstoff hat andere chemische und physikalische Eigenschaften als Erdgas. So könnte reiner Wasserstoff Bauteile des Gasnetzes angreifen und beschädigen. Besonders Stahlrohre sind anfällig. Auch die Speicher- und Verteilstationen müssten umgebaut werden, weil Wasserstoff unter anderen Bedingungen und Druckstufen gelagert und transportiert werden muss. Von Gas auf grünen Wasserstoff zu wechseln ist keine triviale technische Herausforderung.

Zudem müssen die Kommunen in Deutschland zwischen 2025 und 2028 einen verbindlichen Plan für ihre Gemeinden erarbeiten, in welchen Stadteilen Fernwärme verlegt werden kann und wo nach anderen Lösungen wie Wärmepumpen gesucht werden muss.

Es gäbe auch eine Möglichkeit, die Erdgasnetze weiter zu nutzen, wenn auch synthetisch hergestelltes Erdgas (Electric Natural Gas – e-NG) politisch gewollt wäre. Synthetisches Gas ist klimaneutral und entsteht, indem man grünem Wasserstoff biogenes Kohlendioxid hinzufügt. Von biogenem CO2 spricht man, wenn es beispielsweise aus dem Verbrennungsprozess von Pflanzen, Papier oder Klärschlamm gewonnen wird. Synthetisches Gas verhält sich exakt wie konventionelles Gas. Während grüner Wasserstoff eine komplett neue Infrastruktur braucht, genügt für synthetisches Gas die existierende Erdgasinfrastruktur.

Doch das Wirtschaftsministerium wehrt sich gegen das klimaneutrale e-NG, auf das gerade die Großindustrie gehofft hatte. Die Befürchtungen aus dem Ministerium sind: „Die vorhandene Infrastruktur für Erdgas könnte mit dem synthetischen Gas länger als nötig erhalten bleiben und das geplante grüne Wasserstoffnetz würde womöglich nicht wie erhofft genutzt“, so das Handelsblatt.

Wenn man alles zusammen sieht, ist es wie die Quadratur des Kreises. Wir in Deutschland wollen in den nächsten 10 bis 15 Jahren nur noch Wind, Sonne und irgendwann grünen Wasserstoff, um die Wirtschaft und die Endverbraucher mit Energie zu versorgen. Es müssen in ganz Deutschland neue Leitungen für Strom, Wasserstoff und Fernwärme errichtet werden. Gleichzeitig sollen 80 bis 90 Prozent der bestehenden Erdgasnetze wieder ausgebaut werden. Dies gilt ebenfalls für die Gasspeicher. Deutschland hat im vergangen Jahr 810.000 Gigawattstunden Erdgas verbraucht. Der Großteil davon ging an die Industrie – Haushalte beziehen etwa ein Drittel davon. Rund 19,6 Millionen Wohnungen und somit knapp die Hälfte aller Wohnungen, werden mit Erdgas beheizt.

All dies muss bis 2045, in manchen Bundesländern bis 2035/2040, je nach Beschluss der Landesregierungen, verändert werden, damit wir in Deutschland klimaneutral sind. Die Mehrzahl unserer Produkte, die wir verbrauchen, kommen auch nach 2035 aus Asien, in hohem Maße aus China oder Amerika, denn wir werden mit deren Energiekosten in der EU und besonders in Deutschland nicht mehr mithalten können. Diese Länder gehen bei der Energieerzeugung und den CO2-Emissionen ganz andere Wege. Die Politik muss sich ehrlich machen und den Wählern sagen, welche Hersteller wir in Deutschland noch wollen, so eine Forderung aus der Wirtschaft.

Wenn man sich diesen Umbau des deutschen Energiesystems in der Praxis vorstellt, so wird Deutschland in den nächsten 10 bis 20 Jahren eine große Baustelle für den Tiefbau und Abriss und dies mit einem enorm hohen Finanzbedarf. Wir haben es in den letzten zehn Jahren nicht geschafft, ein kleines Glasfaserkabel in alle Haushalte zu verlegen. Und jetzt glauben wir, riesige Leitungen für Strom, Wasserstoff und Fernwärme bis 2035/2040 zu verlegen und gleichzeitig 500.000 Kilometer Gasleitungen im selben Zeitraum auszubauen? Bis hierfür die gesetzlichen Pläne, die behördlichen Genehmigungen, die finanztechnischen Vorgaben und die europarechtlichen Genehmigungen vollzogen sind, vergehen weitere 15 Jahre, ohne dass in der Praxis etwas passiert ist.

Wir sind als einziges Land aus der Atomkraft ausgestiegen, obwohl unsere Atomkraftwerke mindestens noch 10 bis 15 Jahre CO2-frei und sicher weitergelaufen wären. Bis 2030 wollen wir zudem aus der Kohle aussteigen und die Kohlekraftwerke dann auch zurückbauen. Bis 2030 müssen neben den neuen Stromstraßen und neuen Wind- und Solaranlagen die neuen Gaskraftwerke als Backup-Lösung errichtet werden. Diese sollen spätestens bis 2045 mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Wo dieser grüne Wasserstoff herkommt und zu welchen Kosten er erzeugt wird, weiß derzeit niemand.